Aus- und Fortbildung von Fach- und Führungskräften für Afrikas Impfstoffproduktion
Der Aufbau einer eigenen Impfstoffproduktion ist für Afrika ein wichtiges Ziel. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit unterstützt die Aus- und Fortbildung der dafür benötigten Fach- und Führungskräfte, z.B. mit dem kürzlichen African Advanced Vaccinology‘-Kurs.
In den letzten zwanzig Jahren haben Impfstoffe erheblich zur Senkung der Morbidität und Mortalität von Kindern in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara beigetragen. Dennoch bestehen nach wie vor große Ungleichheiten und Lücken in der Versorgung, die besonders deutlich werden, wenn es zu plötzlichen Ausbrüchen von Infektionskrankheiten kommt. Afrika stellt derzeit nur etwa 1 % der auf dem Kontinent benötigten Impfstoffe selbst her und ist deshalb in hohem Maße von internationalen Herstellern abhängig. Die COVID-19-Pandemie hat Afrikanerinnen und Afrikanern die negativen Auswirkungen dieser Abhängigkeit deutlich vor Augen geführt.
Der Aufbau einer eigenen Impfstoffproduktion ist deshalb heute ein wichtiges Ziel für den Kontinent. Die Afrikanische Union (AU) und die Afrikanischen Zentren für Krankheitskontrolle und -prävention (Africa CDC) haben sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2040 60 % der Impfstoffe vor Ort zu produzieren. Im Jahr 2021 rief die AU die „Partnerschaften für die afrikanische Impfstoffherstellung (PAVM)“ ins Leben, um alle relevanten Initiativen und Interessengruppen so zu koordinieren, dass dieses Ziel erreicht werden kann.
Dies erfordert nicht nur massive Investitionen in Produktionsanlagen und Infrastruktur, sondern auch in die für die Impfstoffproduktion erforderlichen Regulierungsstrukturen und Sicherheitsstandards. Außerdem besteht ein enormer Mangel an ausgebildeten Fachkräften, die dringend benötigt werden, wenn Afrika eine nachhaltige Impfstoffproduktion und -entwicklung aufbauen will.
Shingai Machingaidze, leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der CDC Afrika
Afro-ADVAC 2023: Ein Kurs mit Teilnehmer*innen aus ganz Afrika
Der vierte African Advanced Vaccinology Course – oder Afro-ADVAC 2023 – fand vom 17. bis zum 26. April in Muldersdrift, Südafrika, statt. Er brachte 50 Teilnehmer*innen aus 16 afrikanischen Ländern ‚live‘ sowie weitere 50 virtuelle Teilnehmer*innen zusammen. Der Kurs richtet sich an Expert*innen, die auf mittleren und höheren Management-Ebenen in verschiedenen Impfstoff-relevanten Bereichen tätig sind. „Wir wenden uns an Wissenschaftler*innen, Ärzt*innen, Tierärzt*innen, Pharmakolog*innen, Pharmazeut*innen und an Vertreter*innen des öffentlichen Gesundheitswesens“, so Clare Cutland, die Organisatorin des Kurses und wissenschaftliche Koordinatorin der Fachgruppe African Leadership in Vaccinology der Witwatersrand University, bekannt als Wits Alive Consortium.
Um an dem Kurs teilnehmen zu können, mussten die Teilnehmer*innen ein Online-Auswahlverfahren durchlaufen, in dem sie gefragt wurden, weshalb der Kurs sie interessiert und was sie mit dem dort gewonnenen Wissen in ihren derzeitigen und künftigen Rollen bewirken möchten. Ziel war es, Vertreter*innen aus möglichst vielen afrikanischen Ländern persönlich oder online an dem Kurs teilnehmen zu lassen.
Das Besondere an diesem Kurs ist, dass er Studierende aus ganz Afrika mit hochkarätigen Dozentinnen und Dozenten zusammenbringt.
Dr. Sabine Fleßenkämper, GIZ BACKUP Health

Hochqualifizierte Arbeitskräfte sind für die lokale Impfstoffproduktion unerlässlich
Der Kurs wurde vom deutschen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) über BACKUP Health finanziert, einem globalen Programm der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Impfstoffproduktion in Afrika . Die Verbesserung der Aus- und Weiterbildung von qualifizierten Arbeitskräften ist ein wesentlicher Bestandteil des Vorhabens, ebenso wie die Harmonisierung und Stärkung des rechtlichen Rahmens und die Verbesserung der Bedingungen für den Technologietransfer.

„Das Ziel der AU ist sehr ehrgeizig und um es zu erreichen, ist ein sektorübergreifender Ansatz erforderlich“, sagt Dr. Sabine Fleßenkämper, Teamleiterin bei BACKUP Health. „Es werden nicht nur Fachkräfte für den Gesundheitssektor gebraucht, sondern auch für die Regulierung und Qualitätskontrolle der Impfstoffproduktion. Es geht um die Privatwirtschaft, die in der Herstellung der Impfstoffe engagiert ist, und um wissenschaftliche Fachkräfte, die forschen und ausbilden können. Außerdem brauchen wir unbedingt eine gute Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten, um die gesteckten Ziele zu erreichen“.
Karrierechancen für Fachkräfte, die eine Führungsrolle im Impfstoffbereich übernehmen wollen
„Ich bin wirklich froh, hier zu sein“, sagt Kursteilnehmerin Dr. Olufunke Bolaji, eine Kinderärztin und Neonatologin aus dem Bundesstaat Ekiti im Südwesten Nigerias. „Dieser Kurs will Führungskräfte ausbilden, die als Entscheidungsträger für die Impfstoffproduktion auf dem Kontinent tätig werden können. Ich denke, dass dies auf mich zutrifft, da ich in meinem Beruf täglich Entscheidungen über Impfungen von Kindern gegen vermeidbare Krankheiten treffe und in den letzten Jahren auch an politischen Entscheidungen auf nationaler Ebene beteiligt war“. Eine passende Ausbildung für diese Rolle gäbe es in Nigeria selbst nicht, sagt Dr. Bolaji.
Ich hätte mir die Teilnahme an dem Afro-ADVAC-Kurs in Südafrika ohne die Unterstützung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit niemals leisten können.
Dr. Olufunke Bolaji
Ein Vollzeit-MSc-Kurs in Vakzinologie
Während sich der Afro-ADVAC-Kurs an Fachleute richtet, die bereits im mittleren und höheren Management in Impfstoff-relevanten Bereichen tätig sind, unterstützt BACKUP Health auch einen zweijährigen Vollzeit-MSc-Kurs in Vakzinologie an der Wits University. Seit Beginn des Kurses im Jahr 2019 haben sich 41 Studierende aus 15 afrikanischen Ländern eingeschrieben und 12 von ihnen haben bereits ihren Abschluss gemacht. Die meisten der MSc-Studierenden nahmen auch an Teilen des Afro-ADVAC-Kurses teil, entweder online oder persönlich.
Der MSc-Kurs ist sehr breit gefächert, sagt Clare Cutland, die wissenschaftliche Koordinatorin an der Wits University. Er umfasst nicht nur Module zu Immunologie, Epidemiologie und Vakzinologie, sondern auch zu Sicherheit, Regulierung und zum Vertrieb von Impfstoffen. Darüber hinaus verbindet der Studiengang das Studium mit einer Hospitation bei einer Firmen, die in Südafrika bereits im Bereich der Impfstoffherstellung tätig sind, wie z. B. das Unternehmen Biovac.
Mitchell Muchichwa befindet sich derzeit im zweiten Jahr des Masterstudiengangs. Sie stammt ursprünglich aus Simbabwe, ist aber in Südafrika aufgewachsen und in öffentlicher Gesundheit ausgebildet. Nach ihrem Abschluss arbeitete sie in einem Krankenhaus und sammelte dort Daten über COVID-19: „In dieser Zeit sahen wir viele Todesfälle. Die Menschen waren Impfungen gegenüber sehr zögerlich, sie hatten einfach kein Vertrauen in sie. Mir wurde klar, dass viele Menschen hier in Afrika einfach zu wenig über den Wert von Impfungen wissen. Und dagegen möchte ich etwas tun.“
Ohne einen finanzierten Studienplatz, sagt Mitchell, hätte sie sich den MSc-Kurs nicht leisten können. „Dieser Kurs erfüllt mich richtig, ich habe schon so viel gelernt.“
Kurse für das französischsprachige Afrika sind geplant
Aufgrund des Erfolges des Afro-ADVAC-Kurses, der in Südafrika in englischer Sprache abgehalten wurde, gibt es nun Pläne, ähnliche Kurse im frankophonen Afrika abzuhalten. Ein Lenkungsausschuss ist dabei, zu prüfen, wie dies realisiert werden kann. Einige der französischsprachigen Teilnehmer*innen des diesjährigen Kurses, wie Leonard Numfor aus Kamerun, wurden als Teil ihrer Fortbildung darin geschult, Teile des Kurses selbst auf Französisch zu unterrichten.
Leonard ist der deutschen Entwicklungszusammenarbeit dankbar dafür, dass er am Afro-ADVAC-Kurs teilnehmen konnte. Er möchte das erworbene Wissen unbedingt an andere weitergeben, sobald er zurück in Kamerun ist, wo er an einer Krankenpflegeschule unterrichtet: „Durch jeden Studierenden, den man ausbildet, wird das Wissen auch an Weitere weitergegeben. Nützliches Wissen breitet sich automatisch weiter aus.“
Kursteilnehmer*innen können politische Entscheidungsträger*innen gezielt beraten
Dr. Njoh Andreas Ateke, ebenfalls aus Kamerun, ist stellvertretender Leiter des erweiterten Immunisierungsprogramm seines Landes und will das, was er im Kurs gelernt hat, mit dem kamerunischen Gesundheitsministerium und anderen politischen Entscheidungsträger*innen teilen. Er ist überzeugt, dass Afrika bei der Impfstoffproduktion autarker werden muss: „Wenn Afrika sich an der Impfstoffproduktion beteiligt, kann es einen wichtigen Beitrag zur globalen Impfstoffproduktion leisten, und durch Impfung vermeidbare Krankheiten besser bekämpfen“, so Andreas. „Wir wissen, dass Afrika bald der Kontinent mit der zweitgrößten Bevölkerung sein wird. Entsprechend hoch wird der Bedarf an Impfstoffen weiter sein. Und wir haben sie dann in unserer Nähe.“
Wenn die afrikanische Bevölkerung besser geschützt ist, dann schützt dies auch den Rest der Welt. Dafür brauchen wir eine gemeinsame globale Anstrengung.
Dr. Njoh Andreas Ateke, stellvertretender Leiter des erweiterten Immunisierungsprogramms Kameruns
Afrika will zur weltweiten Impfstoffproduktion beitragen
„Es ist an der Zeit, dass Afrika in der Impfstoffproduktion aktiver wird und dass wir unsere jungen Talente hierfür ausbilden“, meint Patrick Tippoo, der nicht nur Chief Science and Innovation Officer bei Biovac ist, sondern auch Executive Director der African Vaccine Manufacturing Initiative (AVMI) und einer der Referenten des Afro-ADVAC-Kurses. „Wir können nicht so weitermachen wie bisher. Wir wollen unseren Beitrag leisten, nicht nur zur Herstellung in Afrika für Afrika, sondern auch zu globalen Impfstofflieferketten“. Dr. Immaculate Ampaire, leitende medizinische Mitarbeiterin in der Abteilung für Impfstoffe und Immunisierung des ugandischen Gesundheitsministeriums, ist der Meinung, dass es für Länder wie Uganda möglich sein sollte, in die Herstellung und Entwicklung von Impfstoffen zu investieren: „Ja, dies ist eine Herausforderung, aber es ist auch ein Traum, den wir wahr machen sollten. Eine Sache, die ich in diesem Kurs gelernt habe, ist es, niemals nie zu sagen.“
Kursabsolvent*innen sind für die nächsten Schritte bereit
Als sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach der letzten Sitzung verabschieden, sind die Konferenzorganisatorin Clare Cutland und ihr Team müde, aber erfreut über den Verlauf des Afro-ADVAC-Kurses 2023.
Es gibt einige brillante Köpfe in Afrika. Mit den richtigen Investitionen und der richtigen Ausbildung kann Afrika zu einem Zentrum der Impfstoffexzellenz und zu einem Kontinent der Impfstofftechnologie werden
Clare Cutland, wissenschaftliche Koordinatorin für Wits Alive
Wir möchten dem Team unsere Anerkennung für die harte Arbeit aussprechen, die es in die Entwicklung dieses hervorragenden Kurses gesteckt hat“, sagt Shinhai Machingaidze vom Africa CDC. „Mit Kursen wie Afro-ADVAC können wir die Art von Fachkräften auszubilden, die wir benötigen, um das ganze Ökosystem aufzubauen, dass es für die Impfstoffherstellung braucht – samt der dafür nötigen Führungskräfte.“

Asipherhona Ngema und Melissa Moselane, zwei junge MSc-Studentinnen der Wits University in ihren frühen Zwanzigern, wollen zu diesen künftigen Führungskräften gehören. „Ich habe in den letzten Wochen viel gelernt“, sagt Melissa. Und Asipherhona fügt hinzu: „Ich freue mich darauf, mein neues Wissen anzuwenden, und zwar hier in Afrika. Mit eigenen Impfstoffen können wir einige der großen Probleme lösen, die unseren Kontinent belasten“.
Ruth Evans,
Juli 2023