Impulsdialog zu Digital Health Data Governance
Brauchen wir eine globale Rahmenvereinbarung für den Umgang mit Gesundheitsdaten?
Ein Impulsdialog über Möglichkeiten zur Gewährleistung und Stärkung von Datenschutz und Menschenrechten.
Writer:
Clemens Gros
- Frances Baaba da-Costa Vroom, Präsidentin, Pan African Health Informatics Association
- Alexandrine Pirlot de Corbion, Direktorin für Strategie, Privacy International, mit Input von Dr. Tom West, Legal Officer, im bilateralen Gespräch
- Christoph Benn, Direktor für globale Gesundheitsdiplomatie, Joep Lange Institute; Präsident, Transform Health; Vorstandsvorsitzender, The International Digital Health and AI Research Collaborative (I-DAIR)
- Christian Möhlen, ehemaliger globaler Leiter der Rechtsabteilung von Kry International
Herausgegeben von: Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH
Vorschläge für die deutsche Politik
Folgende Vorschläge für deutsche Politiker*innen und Parlamentarier*innen wurden im Laufe dieses Impulsdialogs formuliert:
- Deutschland sollte sich weltweit für eine Rechte-basierte Governance von Gesundheitsdaten einsetzen,
- die die Nutzung von Daten für das Wohl des Einzelnen und für die öffentliche Gesundheit unter Wahrung des Rechts auf Privatsphäre ermöglicht,
- die Transparenz und Gerechtigkeit bei der Erhebung, Verwaltung und Nutzung von Daten fördert,
- die proaktiv gegen Voreingenommenheit und Diskriminierung in Daten und in Algorithmen, die diese verarbeiten, vorgeht und
- die es Menschen ermöglicht, ihre Rechte zu kennen, über ihre Daten zu verfügen und über deren Verwendung zu entscheiden, während gleichzeitig sichergestellt ist, dass die Rechenschaftspflicht bei den jeweiligen Pflichtenträger*innen verbleibt.
- Deutschland sollte seinen Partnerländern technische und finanzielle Zusammenarbeit anbieten, um sie bei der Stärkung ihres Rechtsrahmens für die Verwaltung von Gesundheitsdaten zu unterstützen. Dies sollte in Zusammenarbeit mit Parlamentarier*innen und der Zivilgesellschaft im jeweiligen Land geschehen und auf der Grundlage der Erfahrungen Deutschlands mit robusten Rechten zum Schutz der Privatsphäre und des Datenschutzes.
- Deutschland sollte mit staatlichen Stellen zusammenarbeiten, die mit der Überwachung der Umsetzung und Durchsetzung von Vorschriften für die Verwaltung von Gesundheitsdaten betraut sind, z. B. mit den in einigen Ländern bestehenden Datenschutzkommissionen, um sicherzustellen, dass normative Rahmenvorgaben vor Ort auch praktisch umgesetzt werden.
- Deutschland sollte einen verantwortungsvollen Umgang mit Gesundheitsdaten in von Deutschland unterstützten Projekten sicherstellen, indem Organisationen, die mit deutschen Mitteln arbeiten, verpflichtet werden, einen Rechte-basierten und menschenzentrierten Ansatz zu verfolgen und sich an den jeweilig bestehenden Rechtsrahmen zum Schutz der Privatsphäre und der Menschenrechte zu halten.
- Deutschland sollte eine lebendige und vielfältige Zivilgesellschaft fördern, deren Akteure ihre Regierungen zur Rechenschaft ziehen und sich für einen Rechtebasierten Ansatz beim Umgang mit Gesundheitsdaten einsetzen.
Weshalb diskutiert werden muss, wie Gesundheitsdaten verwaltet werden
Digitale Gesundheitstechnologien sind in der Lage, die Chancengleichheit in der Gesundheitsversorgung zu verbessern, indem sie Gesundheitssysteme stärker und effektiver machen und deren Dienstleistungen auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Bevölkerung ausrichten. Für diese innovativen Technologien sind verlässliche Daten unerlässlich.
Die Herausforderung besteht heute nicht in einem Mangel an Daten, sondern in der Fähigkeit von Regierungen, Unternehmen und Einzelpersonen, die verfügbaren Informationen zum größtmöglichen Vorteil aller zu nutzen, die Privatsphäre und die Rechte der Menschen zu schützen und sicherzustellen, dass wissenschaftliche und ethische Standards eingehalten werden.
Dies wirft die Frage auf, ob die Weltgemeinschaft einen gemeinsamen Rechtsrahmen braucht, um die sichere und ethische Nutzung von Gesundheitsdaten zu gewährleisten. Mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen fordern ein solches gemeinschaftliches Rahmenabkommen im Sinne eines Gesellschaftsvertrags. Ein solches Abkommen müsste ein Gleichgewicht herstellen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der uneingeschränkten Verwendung von Daten für den wissenschaftlichen Fortschritt und dem Interesse des Einzelnen an einer Nutzung, die Sicherheit, Privatsphäre und Menschenrechte bei der Nutzung dieser Daten gewährleistet.
Auch müsste ein solches Abkommen die Nutzung von Gesundheitsdaten für kommerzielle Interessen so regeln, dass das Gemeinwohl immer gewährleistet ist. Transform Health, ein globaler Zusammenschluss der Zivilgesellschaft, hat eine Rahmenvereinbarung vorgeschlagen, die all dies tut: die Health Data Governance Principles.
Um die deutsche Regierung bei der Klärung ihrer Position zu einer solchen Rahmenvereinbarung sowie zu Möglichkeiten der Stärkung der Gesundheitsdaten-Governance zu unterstützen, haben der Global Health Hub Germany und Healthy DEvelopments einen Impulsdialog
veranstaltet. In Zusammenarbeitmit dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und dem Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) wurden vier renommierte Vertreter*innen aus Wissenschaft, Entwicklungszusammenarbeit, Stiftungen und dem Privatsektor zunächst einzeln befragt und kamen anschließend zu einer virtuellen Diskussion zusammen.
Ziel dieses Papiers ist es nicht, eine gemeinsame Erklärung aller Teilnehmer*innen vorzulegen, sondern zentrale Argumentationslinien des Impulsdialogs nachzuzeichnen und dabei alle politikrelevanten Überlegungen und Perspektiven hervorzuheben.
Das Papier fasst zunächst zusammen, wie aus Sicht der Teilnehmer*innen Gesundheitsdaten derzeit verwaltet werden und weshalb Änderungen angebracht sind. Es folgt ein kurzer Überblick über einen aktuellen Vorschlag einer möglichen globalen Rahmenvereinbarung für die Verwaltung von Gesundheitsdaten – die Health Data Governance Principles. Anschließend wird die Diskussion der Teilnehmer*innen nachgezeichnet zu Argumenten für und gegen eine globale Rahmenvereinbarung sowie zu weiteren Maßnahmen zur Stärkung der Gesundheitsdaten Governance. Der letzte Abschnitt skizziert, wie Deutschland die Bemühungen von
Partnerländern in diesem wichtigen Bereich unterstützen kann.