Impulsdialog zu Gesundheit und Klimawandel
Ein ganzheitliches Verständnis von Gesundheit stärkt den Klimaschutz
Ein Impulsdialog über die Fragen, weshalb dies so ist und was es für Politik und Praxis bedeutet.
Writer:
Mary White-Kaba & Anna von Roenne
- Prof. Dr. Dr. med. Sabine Gabrysch, Leiterin der Forschungsabteilung 2 zu Klimaresilienz am Potsdam- Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und Professorin für Klimawandel und Gesundheit an der Charité- Universitätsmedizin Berlin, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU)
- Sophie Gepp, Mitglied des Vorstands der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. (KLUG), wissenschaftliche Mitarbeiterin am Centre for Planetary Health Policy (CPHP)
- Christian Griebenow, Geschäftsführer, Tierärzte ohne Grenzen e.V.
- Dr. Kim Grützmacher, Senior-Beraterin One Health, Biodiversität und Gesundheit, Allianz gegen Gesundheitsrisiken im Wildtierhandel, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH und Planetary Health Lead, Museum für Naturkunde Berlin / Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung
- Melvine Anyango Otieno, Gründerin, Planetary Health Eastern Africa Hub
- Prof. em. Dr. Michael Succow, Gründer, Michael Succow Stiftung
- Elena Villalobos Prats, Technische Leitung für Kapazitätsaufbau und Länderunterstützung und Leitung für die Alliance on Transformative Action on Climate and Health (ATACH), Abteilung Klimawandel und Gesundheit, Weltgesundheitsorganisation (WHO)
Veröffentlicht von: Global Health Hub Germany und Healthy DEvelopments
Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH

Anregungen für die Politik
Folgende Anregungen für die deutsche Politik wurden im Laufe des Impulsdialogs formuliert.
Die politische Umsetzung eines ganzheitlichen Verständnisses von Gesundheit, im Sinne von One Health oder planetarer Gesundheit, ist notwendig:
- Das Thema Gesundheit erzeugt persönliche Betroffenheit. Daher sollten die gesundheitlichen Auswirkungen von Klimawandel-relevanten Politiken und Maßnahmen den jeweiligen Entscheidungsträger*innen und der Öffentlichkeit gegenüber deutlich gemacht werden (siehe S. 3).
- Politisches Handeln sollte von der Einsicht getragen sein, dass Sorge für die Umwelt immer auch Sorge für die menschliche Gesundheit ist – und umgekehrt (siehe S. 7).
- Prävention sollte „an der Quelle“ ansetzen, indem sie die Übertragung von Krankheitserregern von tierischen Wirten auf den Menschen verhindert, um so Epidemien und kostspielige, logistisch schwierige und oft nur teilweise wirksame Impfkampagnen zu vermeiden (siehe S. 10).
- Gesundheits- und Klimaexpert*innen können gemeinsam Leitlinien für ein emissionsfreies Gesundheitswesen entwickeln (siehe S. 12).
- Politiker*innen und Parlamentarier*innen sollten zur Information und Mobilisierung der Öffentlichkeit für ganzheitliche Gesundheits- und Klimamaßnahmen verstärkt mit Gesundheits- und Klimaschützer*innen, wie z. B. KLUG (Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e. V.) oder Health for Future, zusammenarbeiten (siehe S. 13).
- Durch transdiziplinäre Fonds und Arbeits- und Gestaltungsfreiräumen können staatliche und zivilgesellschaftliche Akteur*innen, Forscher*innen und Studierende,
die an gesundheits- und klimabezogenen Themen arbeiten, ermutigt und befähigt werden, über ihre jeweiligen „Silos“ hinweg an der „imagination challenge“ zusammenzuarbeiten, um ihre Vorstellungskraft für die praktische Umsetzung von One Health/planetarer Gesundheit und Klimaschutz einzusetzen (siehe S. 14).
Weshalb ein Impulsdialog über Gesundheit und Klimaschutz?
Der vom Menschen verursachte Klimawandel führt weltweit zu einer Zunahme der Häufigkeit und Schwere von Überschwemmungen, Dürren und Bränden, Hungersnöten, vernachlässigten Tropenkrankheiten und Ausbrüchen von Zoonosen[1], die sich, wie mit COVID-19 deutlich wurde, zu verheerenden Pandemien ausweiten können. Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass das Leben von vielen Millionen Menschen gefährdet ist, dass ganze Regionen, die heute dicht besiedelt sind, bald unbewohnbar werden und dass der Wettbewerb um schwindende Ressourcen Konflikte und Migration auslöst. Einige dieser Trends sind heute schon unumkehrbar.
Die Menschheit überlastet viele der Erdsysteme, von denen alles menschliche, tierische und pflanzliche Leben abhängt. Klimawissenschaftler*innen haben neun planetare Grenzen identifiziert, deren Überschreitung zu irreversiblen Kipppunkten führt. Gesundheitliche Notlagen von bisher ungekanntem Ausmaß zeichnen sich am Horizont ab. In einer solchen Situation würde man erwarten, dass die menschliche Gesundheit und die des Planeten auf der politischen und gesellschaftlichen Agenda Vorrang vor anderen, konkurrierenden Interessen hat. Aber ist dies der Fall?
Zur Unterstützung der deutschen Regierung bei ihrer Positionierung zu den Zusammenhängen zwischen Gesundheit und Klimaschutz organisierte der Global Health Hub Germany in Zusammenarbeit mit Healthy DEvelopments gefördert vom Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung einen hochrangigen Impulsdialog mit sieben renommierten Vertreter*innen aus Wissenschaft, Entwicklungszusammenarbeit, Stiftungen, Zivilgesellschaft, Jugend und internationalen Organisationen, einschließlich aus dem Globalen Süden. Die Teilnehmer*innen kamen am 12. und 13. Juli 2022 zu zwei virtuellen Debatten zusammen, um die übergreifende Frage „Wie kann ein ganzheitliches Verständnis von Gesundheit zu einem ganzheitlichen Umgang mit der Klimakrise beitragen?“ zu erörtern. Anschließend steuerten sie im August und Anfang September[2] im Rahmen von Einzelinterviews weitere Überlegungen zur Beantwortung dieser Leitfrage bei.
Ziel dieses Papiers ist es nicht, eine übereinstimmende Erklärung aller Teilnehmer*innen vorzulegen, sondern zentrale Argumentationslinien des Impulsdialogs nachzuzeichnen. Das Papier veranschaulicht politikrelevante Positionen und stellt eine Reihe von sich ergänzenden Perspektiven vor, um den deutschen Politikdialog zu Gesundheit und Klimaschutz zu bereichern.
[1] Von Tieren auf Menschen übertragene Krankheiten.
[2] Die Dialoge und Interviews fanden 2-3 Monate vor der COP27 statt. Die von den Dialogteilnehmern genannten Veröffentlichungen spiegeln den Stand ihres Wissens und ihrer Lektüre zu diesem Zeitpunkt wider.