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Ms Nisha Kinnar and colleagues of the New India Help Foundation Trust

Indiens Transgender erhalten Zugang zur sozialen Krankenversicherung

Ein deutsch-indisches Projekt unterstützt die indische Regierung bei der Ausweitung der sozialen Krankenversicherung auf Transgender-Personen, um deren Recht auf kostenlose und hochwertige Gesundheitsdienste zu gewährleisten.

„In öffentlichen Gesundheitseinrichtungen werden Menschen wie wir regelmäßig vom Personal, aber auch von anderen Patienten diskriminiert. Sie zwingen uns beispielsweise, in langen Schlangen anzustehen, die nur für Männer oder Frauen bestimmt sind, und wundern sich dann, wenn wir unser Geschlecht als ‚anders‘ angeben“, sagt Frau NishaGründerin des New India Help Foundation Trust. Nisha ist sicher, dass solche alltäglichen Diskriminierungserfahrungen der Grund dafür sind, dass Transgender, die zu den am stärksten marginalisierten Gruppen Indiens zählen, sich bisher oft für die teurere Behandlung in privaten Gesundheitseinrichtungen entschieden haben (Rhude, K., 2018).

Die kürzlich erfolgte Ausweitung des indischen sozialen Krankenversicherungssystems auf die Transgender ist daher eine spannende und wichtige Entwicklung in der indischen Gesundheitslandschaft. Nisha ist sich der Bedeutung und Notwendigkeit dieses integrativen Schrittes für die Transgender Community bewusst. Sie hilft anderen Transgender dabei, sich über das Online-Portal der Regierung bei der Krankenversicherung anzumelden.

Die gesetzliche Grundlagen sind geschaffen

Mit der Anerkennung von Transgender als drittes Geschlecht im Jahr 2014 unternahm der Oberste Gerichtshof Indiens einen wichtigen ersten Schritt zur Verwirklichung der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Rechte der Transgender-Personen des Landes. Einige Jahre später, Anfang 2020, verabschiedete die indische Regierung dann ein umfassendes Gleichstellungsgesetz für Transgender (Transgender Act 2019). 

Das Gesetz wurde zunächst von Teilen der Transgender-Community heftig angefochten, weil es während des COVID-19-Lockdowns erlassen wurde und es daher vorab kaum Konsultationen dazu mit den Betroffenen gab. Zweifelsohne setzte das Gesetz jedoch neue Maßstäbe hinsichtlich des Zugangs von Transgender-Personen zur Gesundheitsversorgung. Medizinische Einrichtungen sind nun gesetzlich verpflichtet, Transgender-Personen zu behandeln, und zwar auch, wenn es um aufwendige geschlechtsangleichende Eingriffe geht. Jedwede Diskriminierung von Transgender bei der Erbringung von Gesundheitsdiensten ist verboten. Das Gesetz fordert außerdem eine Überprüfung der Lehrpläne für die medizinische Ausbildung, um sicherzustellen, dass die gesundheitlichen Bedürfnisse von Transgender-Personen ausdrücklich berücksichtigt werden. 

Trotz der neuen Gesetzgebung gibt es nach wie vor Barrieren, die Transgender-Personen den Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung erschweren (Ming, Hadi & Khan 2016).

Jetzt werden Zugangs-Hindernisse schrittweise abgebaut

Obwohl es auf dem indischen Subkontinent seit langem sogenannte Hijras gibt (ein traditioneller und heute umstrittener Begriff für Personen, die sich als trans- oder intersexuell bezeichnen), sind transphobe und homophobe Haltungen in der indischen Gesellschaft verbreitet. Die Diskriminierung in Gesundheitseinrichtungen, die hohen Kosten bestimmter medizinischer Verfahren, der Mangel an geschultem Gesundheitspersonal und passenden Behandlungsprotokollen erschweren nach wie vor den Zugang der Transgender-Community zu Gesundheitsdiensten. Transgender-Personen fühlen sich auch von den Programmen zur Prävention sexuell übertragbarer Infektionen, einschließlich HIV, kaum angesprochen, obwohl gerade sie für diese besonders vulnerabel sind (ibidem).

Die vollständige Umsetzung des Transgender-Gesetzes wird daher noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Weitreichende Änderungen in der Struktur und der Qualität der Gesundheitsdienste sind erforderlich. Ein entscheidender Schritt war die Unterzeichnung eines Abkommens im August 2022 zwischen der Nationalen Gesundheitsbehörde des Ministeriums für Gesundheit und Familienwohlfahrt und dem Ministerium für soziale Gerechtigkeit und Empowerment, um das indische soziale Krankenversicherungssystem – Ayushman Bharat Yojana – auf Transgender-Personen in ganz Indien auszuweiten.

Sobald dies in allen Bundesstaaten umgesetzt ist, können alle Transgender in den zugelassenen öffentlichen und privaten Gesundheitseinrichtungen kostenlos ein definiertes Paket von Gesundheitsdienstleistungen in Anspruch nehmen. Und dieses Paket umfasst auch die medizinisch aufwendigen geschlechtsangleichenden Verfahren.

PMJAY- landesweite finanzielle Absicherung im Krankheitsfall

Das 2018 eingeführte Ayushman-Bharat-Programm ist das Vorzeige-Gesundheitsprogramm der indischen Regierung. Sie möchte damit landesweit eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung sicherstellen. Es umfasst zwei Komponenten: ein Netz von Gesundheits-Zentren, die den Menschen eine umfassende medizinische Grundversorgung näher am Wohnort bieten sollen, und das Pradhan Mantri – Jan Arogya Yojana (PM-JAY), das die Kosten für ein grundlegendes Paket von Gesundheitsleistungen für die bedürftigsten Menschen Indiens abdeckt. 

An information kiosk for the Ayushman Bharat Scheme, Uttar Pradesh.
Ein Informationskiosk für das Ayushman-Bharat-Programm, Uttar Pradesh.

Das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) beauftragte indisch-deutsche Projekt zur universellen Absicherung im Krankheitsfall (Universal Health Coverage/UHC) berät das indische Ministerium für Gesundheit und Familienwohlfahrt sowie die nationalen und bundesstaatlichen Gesundheitsbehörden bei der Umsetzung von PM-JAY. Ein Team von Expert*innen der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) unterstützt die Umsetzung des Programms auf allen Ebenen, von der Politik bis hin zur Gemeindeebene, mit einem besonderen Fokus auf Geschlechtergerechtigkeit und soziale Inklusion.

PM-JAY ist heute das weltweit größte staatlich finanzierte Krankenversicherungssystem. Es deckt fast 100 Millionen sozial schwache Familien ab – insgesamt etwa 500 Millionen Menschen. Und obwohl Transgender-Personen weniger als ein Prozent der Leistungsempfänger*innen ausmachen, sendet ihre ausdrückliche Einbeziehung ein starkes Signal hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Anerkennung.

Der bevölkerungsreichste Bundesstaat Indiens geht voran

Uttar Pradesh – der bevölkerungsreichste Bundesstaat Indiens – ist der erste Bundesstaat, der mit Aktivitäten zur Ausweitung der Krankenversicherung auf Transgender-Menschen begonnen hat. Mit der technischen Unterstützung der GIZ will die staatliche Gesundheitsbehörde das System innerhalb weniger Monate vollständig einführen und dabei digitale Instrumente nutzen, um die Umsetzung zu erleichtern. Sangeeta Singh, CEO der staatlichen Gesundheitsbehörde in Uttar Pradesh, sagt,

Dies ist ein großer Schritt in Richtung Geschlechtersensibilisierung und Geschlechtergerechtigkeit. Wir müssen uns um alle Menschen in unserer Gesellschaft kümmern. Die Transgender sind eine Bevölkerungsgruppe, die traditionell nicht gleichberechtigt ist und übersehen wurde.

Sangeeta Singh, CEO der staatlichen Gesundheitsbehörde in Uttar Pradesh
Ms Sangeeta Singh, CEO State Health Agency, Uttar Pradesh.
Frau Sangeeta Singh, CEO der staatlichen Gesundheitsbehörde von Uttar Pradesh.

Die komplette Finanzierung der Transgender-Community durch die Zentralregierung unterscheidet sich von dem übrigen PM-JAY-Programm, das jeweils zu 60 % von der Zentralregierung und zu 40 % von den Regierungen der Bundesstaaten finanziert wird. Jede Transgender-Person, die sich über das Online-Portal anmeldet, erhält eine Ayushman-Bharat-Karte und das gleiche finanzielle Paket wie eine Familie, d. h. sie kann Gesundheitsleistungen bis zu einem Wert von 5 Lakh Rupien pro Jahr (= ca. fünfeinhalb Tausend Euro) in Anspruch nehmen. 

Damit wird den höheren Kosten für die Gesundheitsleistungen Rechnung getragen, die Transgender-Personen möglicherweise benötigen, und der Tatsache, dass sie oft nicht in traditionellen Familieneinheiten leben. Der Gender Focal Point des indisch-deutschen Projekts, Shakeel Ahmad, betont, 

Dies ist ein deutliches Signal der Zentralregierung, wie wichtig es ist, den Zugang zu Gesundheitsdiensten für die Transgender-Gemeinschaft zu verbessern und die Diskriminierung dieser Menschen auch bei der Gesundheitsversorgung endlich zu beenden.

Shakeel Ahmad, IGUHC Gender Focal Point

In den kommenden Monaten wird das indisch-deutsche Projekt die lokalen Behörden dabei unterstützen, die Transgender-Community über ihre Rechte und ihre neue Gesundheitsversicherung aufzuklären. Gleichzeitig werden auch die Gesundheitseinrichtungen für die spezifischen Bedürfnisse der Transgender sensibilisiert. Auch die Zahl der zugelassenen Krankenhäuser, die Transgender-Personen behandeln können, einschließlich Geschlechtsangleichender Maßnahmen, wird dabei stetig weiter erhöht.

Soziale Medien und NGOs informieren über das neue Programm

Das indisch-deutsche Projekt unterstützt die staatlichen Gesundheitsbehörden bei der Planung und Umsetzung einer Kommunikationskampagne über soziale Medien, WhatsApp und SMS, um die die die größtmögliche Anzahl von Transgender-Personen über die neue Kostenübernahme im Krankheitsfall zu informieren. Gleichzeitig wird eng mit Nichtregierungsorganisationen zusammengearbeitet, denen die Transgender-Community vertraut.

Eine dieser Organisationen ist der oben erwähnte New India Help Foundation Trust, der von der Transgender Nisha gegründet wurde. Sie ist in Uttar Pradesh eine bekannte Transgender-Aktivistin und setzt sich dafür ein, ihre Community über ihr Recht auf kostenlose, hochwertige Gesundheitsversorgung und das Krankenversicherungsprogramm PM-JAY aufzuklären und dafür zu sorgen, dass sie sich dafür registrieren.

Wie wird sich der verbesserte Zugang auf PM-JAY und auf das Leben der Transgender auswirken?

Frau Nisha strahlt, wenn sie über das neue Programm spricht: „Das ist wirklich ein Hoffnungsschimmer für uns als Transgender-Community“.

Der Leiter des indisch-deutschen Projekts, Amit Paliwal, ist gespannt, wie sich der verbesserte Zugang von Transgender-Personen zur öffentlichen Gesundheitsversorgung mittel- und langfristig auswirken wird und würde dies gerne genauer verfolgen:

Die indische Regierung engagiert sich dafür, Transgender wirtschaftlich und sozial besser in die Gesellschaft zu integrieren. Das ist sehr sinnvoll. Ich würde gerne Begleitforschung dazu durchführen, wie sich die Aufnahme der Transgender in die soziale Krankenversicherung auswirkt, für sie selbst, ihre Gesundheit und ihren Status, für die Kostenentwicklung und für die indische Gesellschaft als Ganze.

Amit Paliwal, IGUHC Leiter

Tatsächlich könnte eine solche gut geplante Studie zur Ausweitung von UHC auf besonders vulnerable Gruppen einen Beitrag zum Stand der Forschung leisten, der auch für andere Länder und Kontexte von großem Interesse wäre.

Corinne Grainger,
April 2023

© State Health Agency, Uttar Pradesh
© State Health Agency, Uttar Pradesh
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