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Wie kann One Health konkret umgesetzt werden?

Ein Projekt zur Tollwutprävention und -bekämpfung in Kambodscha probiert es aus

Jedes Jahr sterben bis zu 800 Kambodschaner*innen an Tollwut nach Hundebissen. Dies ließe sich verhindern, wenn das Humangesundheitspersonal für Menschen und das Veterinärwesen sich dafür zusammentun. Ein von Deutschland unterstütztes Projekt arbeitet mit kambodschanischen Partnern an entsprechenden Lösungen.

Auf den Spuren der Tollwut in der Provinz Battambang

Jeden Tag kommt Chiloeurn Chhoeurn, eine Beamtin der Gesundheitsbehörde der Provinz Battambang, zur Arbeit und prüft in ihrem kleinen Büro im Tollwutpräventionszentrum von Battambang, das vom Institut Pasteur du Cambodge betrieben wird, ob Patient*innen nach einem Hundebiss ärztliche Hilfe oder eine Tollwutimpfung in Anspruch genommen haben. Sie informiert ein Team des Provinzbüros für Tiergesundheit und -produktion über Risikofälle, die untersucht werden müssen.

Chiloeurn Chhoeurn
Chiloeurn Chhoeurn

Ein Hund, der eine Person gebissen hat, könnte auch andere beißen. Daher muss er schnell gefunden und untersucht werden, um dies zu verhindern. Dies ist auch für die Tollwut-Surveillance wichtig. Die Tollwut ist in Battambang und im übrigen Kambodscha endemisch, aber es liegen nur wenige solide Daten über ihre Verbreitung vor. Die Vorbeugung und schließlich die Ausrottung der Tollwut – wie auch anderer Krankheiten mit zoonotischem Ursprung – kann nur gelingen, wenn das Gesundheitspersonal für Mensch und Tier zusammenarbeitet. Mit ihrem Handy, einem Computer und mit viel Ausdauer trägt Chiloeurn Chhoeurn ihren Teil dazu bei, die Arbeit zweier Gesundheitssysteme zusammenzuführen, die trotz der zunehmenden zoonotischen Bedrohungen mit pandemischem Potenzial bis heute weitgehend parallel arbeiten.

Eine vernachlässigte zoonotische Krankheit

Als Chiloeurn Chhoeurn im Februar 2023 mit der Koordinierung des Integrierten Fallmanagements für Hundebisse (IBCM) in Battambang begann, gab es noch keine formelle Verbindung zwischen den Mitarbeiter*innen der Humanmedizin und dem Veterinärwesen bei der Tollwutprävention und -bekämpfung in der Provinz. Hundebisse, die von Mitarbeiter*innen der Gesundheitsdienste für Menschen gemeldet wurden, lösten keine Maßnahmen auf Seiten der Mitarbeiter*innen des Veterinärwesens aus. Es gab weder Systeme zur Erfassung und Weitergabe dieser Informationen noch verfügten die Mitarbeiterinnen des Provinzbüros für Tiergesundheit und -produktion über die erforderliche Ausbildung oder das nötige Budget für die Durchführung von Tollwutbekämpfungsmaßnahmen.

Cambodia has one of the highest dog-human ratios in the world
Kambodscha hat eine der höchsten ‚Hund pro Mensch-Quoten‘ der Welt

So sieht es im Großen und Ganzen auch im Rest des Landes aus. Obwohl in Kambodscha jedes Jahr schätzungsweise 375.000 Menschen von Hunden gebissen werden und bis zu 800 an der Tollwut sterben, wird der Krankheit relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Die Tollwut ist eine klassische „vernachlässigte Zoonose” – eine Krankheit, die eine ständige wirtschaftliche und soziale Belastung für arme Gemeinschaften darstellt, aber nur selten von offiziellen Überwachungssystemen erfasst wird. Infolgedessen sind ihr Auftreten und ihre Auswirkungen weitgehend unbekannt, das Bewusstsein für die Krankheit ist nach wie vor gering, und bewährte Maßnahmen zur Verhinderung und Kontrolle ihrer Ausbreitung haben keine Priorität.

Obwohl das für die endgültige Ausrottung der Krankheit nötige Vorgehen klar ist und die nötigen Technologien und Prozesse gut erprobt sind, sterben in Kambodscha weiterhin Menschen an Tollwut – einer Krankheit, die tödlich ist, sobald Symptome auftreten, was jedoch durch eine Impfung, die rechtzeitig nach dem Biss verabreicht wird, verhindert werden kann.

Ein One Health-Projekt verknüpft Humangesundheits- und Veterinärwesen

Diese Situation könnte sich jetzt ändern, dank eines Projekts, das mit Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) durchgeführt wird. Das von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH im Rahmen des BMZ-Globalprogramms „Pandemie und One Health“ durchgeführte Projekt unterstützt die kambodschanische Regierung dabei, die Kernelemente einer Strategie zur Tollwutprävention und -bekämpfung – also integriertes Bisswundenmanagement, Massenimpfungen von Hunden, die Bereitstellung von Tollwut-Postexpositionsprophylaxe (PEP) für Bissopfer, Labordiagnostik und Sensibilisierungsmaßnahmen – erstmals gemeinsam im Veterinär- und Humangesundheitswesen umzusetzen.

Obwohl Kambodscha bisher noch kein landesweites Tollwutbekämpfungsprogramm hat, gibt es die meisten der erforderlichen Elemente bereits in der einen oder anderen Form, unterstützt von nichtstaatlichen Partnern. So betreibt das Institut Pasteur du Cambodge in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium drei Tollwutpräventionszentren in denen Menschen zu ermäßigten Preisen eine PEP erhalten können – darunter das Zentrum in Battambang, in dem Chiloeurn Chhoeurn arbeitet. Außerdem betreibt das Institut Pasteur das einzige Labor in Kambodscha, das Tollwutdiagnostik anbietet. Mission Rabies, eine internationale NRO, unterstützt das Ministerium für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei bei der Einführung von IBCM und Massenimpfungen von Hunden in Phnom Penh. Ziel des von Deutschland geförderten Projekts ist es, die Umsetzung dieser Aktivitäten ausschließlich mit den vorhandenen staatlichen Strukturen zu ermöglichen. Dabei soll aufgezeigt werden, wie ein umfassendes nationales Tollwutbekämpfungsprogramm in naher Zukunft aussehen könnte und wie hoch die Kosten dafür wären.

Dies ist nicht nur ein wichtiger Beitrag zur Verpflichtung der kambodschanischen Regierung, im Rahmen der globalen Strategie „Null bis 30“ bis zum Jahr 2030 keine Todesfälle durch von Hunden übertragene Tollwut mehr zu verursachen, sondern auch eine Gelegenheit, durch „Learning by doing“ zu lernen, was für die praktische Umsetzung von One Health erforderlich ist.

Integriertes Bisswundenmanagement – ein Paradebeispiel für One Health

Von allen Bestandteilen der Tollwutprävention und -bekämpfung steht gerade das Integrierte Bissfallmanagement am deutlichsten für den One-Health-Ansatz, der davon ausgeht, dass die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt voneinander abhängig sind und daher ganzheitlich und nicht isoliert gefördert werden müssen. Deshalb arbeiten die Berater*innen des von der GIZ durchgeführten One-Health-Projekts gemeinsam mit dem Ministerium für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei und dem Gesundheitsministerium daran, die für das Bisswundenmanagement in Battambang nötigen Systeme, Arbeitsprozesse und Informationsflüsse beider Seiten sinnvoll miteinander zu verknüpfen.

Distributing information as part of field campaign
Verteilung von Informationen im Rahmen einer Feldkampagne

In enger Zusammenarbeit mit der NGO Mission Rabies wurden Tiergesundheitsbeamtinnen der Provinzen darin geschult, wie sie potenziell tollwütige Hunde sicher handhaben, unter Quarantäne stellen und einschläfern können und wie sie hinterher Proben für Tests präparieren müssen. Das Personal von 7 Provinz- und Distriktkrankenhäusern sowie 82 Gesundheitszentren wurde über das Tollwutrisiko nach Hundebissen aufgeklärt, in der Reinigung und Behandlung von Wunden geschult und genau instruiert, wann Opfer von Hundebissen zur Nachuntersuchung und möglichen Impfung überwiesen werden sollten. Die Mitarbeiterinnen der dörflichen Tiergesundheitsdienste oder der Bezirkstierarzt müssen außerdem informiert werden, dass es einen bissigen Hund in der Gemeinde gibt, damit sie ihn ausfindig machen und zur Beobachtung isolieren oder direkt auf Tollwut testen können.

Die Zusammenarbeit hat mit viel Schwung begonnen

In den ersten zwei Monaten ihrer Tätigkeit hat Chilouern Chhoeurn, die Koordinatorin des integrierten Bisswundenmanagements, die Patientenakten von mehr als 1.300 Hundebiss-Opfern überprüft. Sie hat viele von ihnen direkt angerufen, um zusätzliche Informationen einzuholen, ihnen zu erklären, was sie mit dem Hund tun (und lassen) sollten, und ihnen mitzuteilen, wann sie geimpft werden sollten. Mithilfe eines Algorithmus zur Risikobewertung identifizierte sie 71 Bissfälle mit hohem Risiko und gab die Details in eine Hundebissmanagement-App ein, die zuvor in Khmer übersetzt worden war und die Mitarbeiter*innen des Tiergesundheitsdienstes darüber informiert, dass ein dringender Fall vorliegt. Diese wiederum nahmen diese Fälle auf und fuhren mit dem Motorrad in entlegene Gebiete der Provinz, um dort 40 der Bisswunden-Opfer und die Hunde, die sie gebissen hatten, persönlich zu untersuchen. Die Herausforderung besteht darin, den Hund zu fassen zu kriegen, bevor er verkauft oder getötet wird – was in Kambodscha aufgrund des weit verbreiteten Handels mit Hundefleisch häufig vorkommt.

Bei diesen ersten Untersuchungen lieferten sieben der neun erfolgreich entnommenen Proben (78 %) positive Ergebnisse. Auch diese Informationen werden in der Bisswundenmanagement-App erfasst, wo sie für Mitarbeiter*innen der Human- und der Tiermedizin sichtbar sind – ein erster Schritt zu einem gemeinsamen Informationssystem für die Tollwutüberwachung. Die Koordinatorin trifft sich regelmäßig mit den Teams für Tier- und Humanmedizin, um die Untersuchungsergebnisse zu besprechen und Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer gemeinsamen Arbeit zu erörtern.

Die ersten Monate des Projekts zum integrierten Bisswundenmanagement waren für alle Beteiligten sehr motivierend. „Es ist das erste Mal, dass Tollwutbekämpfungsmaßnahmen von einer Regierungsbehörde durchgeführt werden“, sagt Dr. Tep Bengthay, stellvertretender Direktor der Abteilung für Tiergesundheit und öffentliche Veterinärmedizin im Ministerium für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei. „Es ist nicht einfach, denn unsere Mitarbeiter müssen noch viel lernen, aber es ist wichtig. Wir gewinnen dadurch Erfahrungen, die wir dann in anderen Teilen des Landes anwenden können.“

Dr Yi Sengdouern
Dr. Yi Sengdouern

Dr. Yi Sengdouern, stellvertretender Direktor der Abteilung für die Kontrolle übertragbarer Krankheiten im Gesundheitsministerium, begrüßt das Projekt ebenfalls. „Das Feedback aus Battambang ist sehr positiv“, sagt er. „Dies ist ein großartiges Beispiel für die Zusammenarbeit im Bereich der Gesundheit von Mensch und Tier“.

Partner „im selben Raum“ zu haben, fördert das gemeinsame Verständnis der Ziele

Das Projekt unterstützt seine Partner bei der Pilotierung anderer Elemente der Tollwutprävention und -bekämpfung, die eher in den Zuständigkeitsbereich des einen oder anderen Ministeriums fallen. Im Gesundheitsbereich unterstützt das Projekt beispielsweise die Integration der PEP in die Notfallversorgung des Kampot Provincial Referral Hospital – eine Premiere für das öffentliche Gesundheitssystem in Kambodscha. Außerdem entwickelt sie einen Massive Open Online Course (MOOC) für Schullehrer*innen, um das Bewusstsein für Tollwut zu schärfen und sicherzustellen, dass Kinder – die weltweit 40 Prozent der Todesfälle durch Tollwut ausmachen – die Grundlagen der Tollwutprävention lernen.

Dog vaccination
Hundeimpfung

Im Bereich der Tiergesundheit arbeitet das Projektteam mit dem Provincial Office of Animal Health and Production und der Organisation Mission Rabies zusammen, um eine Massenimpfkampagne für Hunde in Battambang zu planen, bei der dörfliche Tiergesundheitshelfer*innen als Impfärzt*innen eingesetzt werden – eine weitere Premiere für den öffentlichen Sektor. Im Rahmen einer Partnerschaft mit dem Institut Pasteur werden die Kapazitäten der Labortechniker*innen am National Animal Health and Production Research Institute (NAHPRI), dem tiermedizinischen Referenzlabor Kambodschas, für die Tollwutdiagnostik gestärkt. Und auf politischer Ebene unterstützt sie die Entwicklung von nationalen Tollwutüberwachungsrichtlinien.

Auch wenn das eine oder andere Ministerium bei der Umsetzung federführend ist, wird jede dieser Aktivitäten sorgfältig unter Einbeziehung von Vertreter*innen beider Seiten geplant. „An fast allen Projekttreffen sind beide Partner beteiligt“, erklärt Dr. Bettina Ruehe, die gemeinsam mit ihrem Kollegen Dr. Prahors Ung im Auftrag der GIZ das One Health-Projekt in Kambodscha leitet. Es ist wichtig, die Tier- und die Gesundheitsseite so oft wie möglich zusammenzubringen, damit sie verstehen, wie ihre Beiträge in das Gesamtbild passen.

Ein kleines Projekt zeigt, was nötig ist, um One Health in die Praxis umzusetzen

Dr Tep Bengthay
Dr. Tep Bengthay

Das von der GIZ geförderte dreijährige One Health-Projekt kann für sich genommen keine entscheidende Rolle bei der Beseitigung der Tollwut in Kambodscha spielen. Aber es trägt dazu bei, die Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken und Verbindungen zwischen Akteuren innerhalb und außerhalb des öffentlichen Sektors zu schaffen, die für die endgültige Beseitigung der Tollwut in Kambodscha entscheidend sind. Außerdem wird deutlich, was erreicht werden kann, wenn Akteure über ihren eigenen Fachbereich hinaus proaktiv mit anderen Sektoren zusammenarbeiten.

Mitte 2024, wenn das Projekt ausläuft, wird das Team detaillierte Beschreibungen darüber vorlegen, wie die Aktivitäten aufgebaut und umgesetzt wurden – einschließlich Einblicken in die Kriterien für eine erfolgreiche sektorübergreifende Arbeit – sowie Kostenkalkulationen, Standardbetriebsverfahren und nationale Überwachungsleitlinien für die Tollwutbekämpfung. Diese Beiträge kommen zur rechten Zeit: Die Weltorganisation für Tiergesundheit (WOAH) unterstützt derzeit die Entwicklung einer neuen nationalen Tollwutstrategie für Kambodscha, die in den kommenden Jahren einen integrierten Rahmen für die Tollwutprävention und -bekämpfung bilden wird.

Darüber hinaus generiert das Projekt wichtige Erkenntnisse darüber, was es in der Praxis braucht, um dem One-Health-Paradigma gemäß zu arbeiten. Kambodscha steht vor einer Reihe von One-Health-Herausforderungen, von der Vogelgrippe bis zur Antibiotikaresistenz, die eine sektorübergreifende Zusammenarbeit und Koordinierung auf allen Ebenen erfordern – nicht nur zwischen den Gesundheitssystemen für Mensch und Tier, sondern auch mit dem Umweltbereich.

Diskussionen über die Notwendigkeit der Zusammenarbeit gibt es zuhauf, aber sie sind oft schwer umzusetzen. Mit einer konkreten Herausforderung zu beginnen, hilft dabei, den Bedarf zu entmystifizieren – und Ideen für die Zukunft zu entwickeln. Wie kann der nächsten Generation von Fachkräften für die Gesundheit von Mensch und Tier und für den Umweltschutz eine One Health-Mentalität vermittelt werden? Welche Plattformen für den Informationsaustausch und welche Governance-Regelungen sind erforderlich, um Ausbrüche von Zoonosen zu verhindern anstatt nur auf sie zu reagieren? Welche Rolle müssen dabei die Laborsysteme spielen? Dies sind einige der Fragen, auf die die Akteure in der sich rasch entwickelnden One-Health-Landschaft Kambodschas jetzt Antworten finden müssen.

Karen Birdsall
Juni 2023

© GIZ Cambodia
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