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Data on blood samples is entered into the SORMAS system via mobile phone

SORMAS geht voran:
Von der nationalen zur regionalen Perspektive

Die Daten der Blutproben werden über das Mobiltelefon in das SORMAS-System eingegeben © HZI-VerenaMeier 2019

SORMAS (Surveillance Outbreak Response Management & Analysis System) wird zunehmend als ein digitales System anerkannt, das politikrelevante Daten und Managementunterstützung in allen One Health-Bereichen liefern kann – nicht nur auf lokaler und nationaler Ebene, sondern potenziell auch auf regionaler und globaler Ebene.

„SORMAS ist ein System im Wandel“, sagt Damien Bishop, Programmleiter des regionalen Pandemiepräventionsvorhabens, mit welchem die deutsche Entwicklungszusammenarbeit die Wirtschaftsunion westafrikanischer Staaten unterstützt. Die Reise von SORMAS begann mit der Entwicklung der Software in Nigeria als Reaktion auf die Ebola-Epidemie von 2014-16, gefolgt von der raschen Einführung in Ghana. Die Dringlichkeit von Maßnahmen zur Verhütung und Bewältigung von COVID-19 auf der ganzen Welt beschleunigte die nationale Ausweitung von SORMAS in Nigeria und Ghana und führte zu verstärktem Interesse auch anderer nationaler und regionaler Behörden, die einen umfassenderen und vernetzten Ansatz zur Verhütung und Bewältigung von Epidemien und anderen Krisen anstreben.

Ein System für die Komplexität der heutigen vernetzten Welt

Die Geschichte von SORMAS wurde bereits ausführlich dokumentiert (z. B. in einer GHPC-Fallstudie von 2019 und in Exemplars in Global Health). Seit der Veröffentlichung dieser Studien wurde die Welt Zeuge einer Eskalation klimabedingter Katastrophen, des Wiederauftretens von Infektionskrankheiten wie Affenpocken und Ebola sowie der weltweiten COVID-19-Pandemie, die bis heute mehr als sechseinhalb Millionen Todesopfer gefordert hat.

In der heutigen stark vernetzten und zunehmend komplexen Welt ist es für Regierungen wichtiger denn je, sektor- und fachübergreifend zu arbeiten, um optimale Gesundheitsergebnisse für alle Bürger zu erzielen. Nationale Akteure wie Gesundheitsministerien und öffentliche Gesundheitsinstitute benötigen Zugang zu Echtzeitdaten über bestehende und potenzielle Gesundheits- und Umweltrisiken, um geeignete Maßnahmen und Strategien entwickeln zu können.

Es werden auch Konzepte benötigt, die den Datenaustausch zwischen Ländern erleichtern, um die Risiken zu bekämpfen, die sich aus grenzüberschreitenden Kontakten von Menschen, Pflanzen und Tieren ergeben. Dies ermöglicht auch regionalen und globalen Institutionen Zugriff auf Erkenntnisse darüber, was in verschiedenen Kontexten zur Bekämpfung neuer Krise funktioniert – und was nicht.

Dokumentation von Erkenntnissen der GIZ-Arbeitsgruppe „Globale Gesundheitssicherheit“ des Branchennetzwerks

Die Arbeitsgruppe Globale Gesundheitssicherheit der GIZ setzt sich für einen One Health-Ansatz zur Stärkung der Gesundheitssicherheit und der Gesundheitssysteme ein. Sie setzt sich aus multidisziplinären Expert*innen zusammen, die sich für eine faktengestützte Politik zur Erkennung, Prävention und Kontrolle von Infektionskrankheiten einsetzen. Sie trifft sich regelmäßig, um Informationen auszutauschen, Basiswissen zu sammeln und in thematischen Workshops zu diskutieren.

Laut Karen Gosch, einer Sprecherin der Gruppe, lassen sich Gesundheitssicherheit, Resilienz und die Stärkung der Gesundheitssysteme in den Ländern nicht voneinander trennen. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ist bestrebt, alle drei Aspekte zu fördern. Durch die Dokumentation unserer Erfahrungen auf Healthy DEvelopments will unsere Arbeitsgruppe zur Sicherung des Erfahrungswissens der deutschen Entwicklungszusammenarbeit und zum Austausch mit anderen Partnern beitragen.

Ein System im Wandel

Das Interesse an SORMAS als einem Quellcode-offenen (open source) digitalen globalen Gut, das Länder bei der Prävention von Epidemien durch Überwachungs- und Frühwarnsysteme unterstützt und die Widerstandsfähigkeit der Gesundheitssysteme verbessert, wächst stetig. SORMAS ermöglicht gezielte, rechtzeitige Maßnahmen in Reaktion auf sogenannte Gesundheitsereignisse (d. h. Ereignisse, die eine unmittelbare Bedrohung für die menschliche Gesundheit darstellen, sei es durch biologische, umweltbedingte, chemische oder radiologische Stoffe). Es stärkt außerdem Managementprozesse und -kapazitäten des Gesundheitssysteme, die mit ihm arbeiten.

Seit seiner Gründung wird SORMAS von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) unterstützt, die finanzielle und technische Hilfe leistet. In Westafrika geschieht dies durch das Projekt Regionalprogramm zur Unterstützung der Pandemieprävention in der ECOWAS-Region (RPPP) im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und der Europäischen Union. Die Unterstützung von SORMAS während der zweiten Phase des Regionalvorhabens (2021 – 2024) konzentriert sich auf den Aufbau von mehr Nachhaltigkeit auf nationaler Ebene in Ghana und Nigeria sowie auf die Schaffung von Kapazitäten für die regionale Überwachung und Reaktion. Außerdem wird aktiv nach Möglichkeiten gesucht, SORMAS in neuen Ländern der ECOWAS-Subregion einzuführen.

SORMAS befindet sich jetzt an einem kritischen Punkt seiner Entwicklung, an dem es seine Stakeholder-Basis verbreitern muss: 

Wir sorgen für den stetigen Austausch zwischen allen SORMAS-Akteuren, also zwischen Geldgebern, Systemnutzern, der Entwicklergemeinschaft und dem Privatsektor.

Damien Bishop, GIZ

Für verschiedene Kontexte werden hierbei jeweils unterschiedliche Lösungen benötigt. In Ghana beispielsweise wurden Softwareunternehmen mit der Bereitstellung der gesamten technischen Lösung für SORMAS beauftragt, einschließlich System-Hosting, Konfiguration und Wartung, Softwareentwicklung und Systemsicherheit. In Nigeria verfolgt das Nigeria Centre for Disease Control (NCDC) einen anderen Ansatz, indem es intern eine zentrale IT-Verwaltungseinheit aufbaut und die Umsetzung durch mehrere Geber unterstützt. Die Unterstützung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit ist auf diese unterschiedlichen Kontexte zugeschnitten.

Stärkung der Gesundheitssicherheit in Westafrika

A SORMAS dashboard provides data for decision-making at NCDC
Ein SORMAS-Dashboard liefert Daten für die Entscheidungsfindung beim NCDC.

Das Regionale Zentrum für Überwachung und Seuchenkontrolle (RCSDC) mit Sitz in Abuja (Nigeria), eine Einrichtung der Westafrikanischen Gesundheitsorganisation, spielt eine wichtige Rolle bei der Mobilisierung und Koordinierung regionaler Maßnahmen zur Eindämmung von Epidemien und zum Umgang mit anderen Gesundheitsereignissen. Das Zentrum hilft den Mitgliedstaaten dabei, ihre Resilienz diesen Ereignissen gegenüber zu stärken. Es wird in Kürze damit beginnen, gemeinsam mit Partnern SORMAS-Dashboards zu entwickeln, die eine schnelle Entscheidungsfindung im Fall von Krankheitsausbrüchen in der gesamten Region ermöglichen.

Durch den Zugang zu Echtzeitdaten über Gesundheitsereignisse, sei es aus den nationalen SORMAS-Systemen oder anderen digitalen Überwachungsprogrammen, die mit SORMAS interagieren können, könnte eine regionale SORMAS-Plattform die Gesundheitssicherheit in der gesamten Region weiter stärken:

Unser grenzübergreifender Ansatz ist beim Umgang mit Krankheitsausbrüchen besonders wichtig. Wir werden die Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten erleichtern, und wir können auch Einsatzkräfte von einem Land in ein anderes bringen, um die Bemühungen vor Ort zu unterstützen.

Dr. Babacar Fall, RSDC

Das Zentrum wird auch weitere Mitgliedstaaten bei der Einführung von SORMAS unterstützen. Côte d’Ivoire z.B. ist dabei, es zu erproben und andere Länder der Region zeigen sich zunehmend interessiert. Die weitere Verbreitung von SORMAS erfordert sowohl politisches Engagement als auch zusätzliche Mittel, die das RCSDC durch seine Lobbyarbeit mobilisieren möchte.

Unterstützung der grenzüberschreitenden Überwachung in Ostafrika

Auch die Pläne zur Integration von SORMAS in die digitale Gesundheitsagenda der Zwischenstaatlichen Behörde für Entwicklung (IGAD) in Ostafrika, die die Länder Dschibuti, Eritrea, Äthiopien, Kenia, Somalia, Südsudan, Sudan und Uganda vertritt, sind bereits weit fortgeschritten. Mit Mitteln der Europäischen Union sowie des BMZ wird SORMAS zunächst an Grenzübergängen eingeführt, um die Verbreitung von COVID-19, Affenpocken und Ebola zu verhindern.

Nach dem nigerianischen Vorbild wird SORMAS schrittweise eingeführt, zunächst in Zusammenarbeit mit den Gesundheitsministerien und/oder öffentlichen Gesundheitsinstituten und dann im Laufe des Jahres 2023 schrittweise auf alle 23 Grenzübergänge ausgeweitet. Nach 2023 ist eine vollständige nationale Einführung von SORMAS für interessierte IGAD-Mitglieder geplant, abhängig von den Kapazitäten für die Umsetzung und den verfügbaren Finanzmitteln.

Die SORMAS-Plattform für Ostafrika soll schrittweise um neue Krankheiten – insbesondere durch Wasser übertragene Krankheiten – erweitert werden und zunehmend auch Trends außerhalb des Gesundheitssektors berücksichtigen: 

One Health steht ganz oben auf der strategischen Agenda, sowohl für das Horn von Afrika als auch auf panafrikanischer Ebene mit der Afrikanischen Union und dem Africa CDC. Die Wechselbeziehungen zwischen Klimawandel, Dürre und Migration sind wichtige Faktoren für die Entstehung von Pandemien, und künftige SORMAS-Entwicklungen werden dies berücksichtigen müssen.

Jochen Schmidt, Leiter der Komponente – Digitale Gesundheit bei IGAD, GIZ

Gründung der SORMAS-Stiftung als agile Plattform

Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) hat angesichts all dieser Entwicklungen und Anfragen erkannt, dass eine unabhängige gemeinnützige Organisation benötigt wird, die sich der künftigen Anwendung von SORMAS widmet. Es gründete die SORMAS-Stiftung, die im September 2022 mit finanzieller Unterstützung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit und anderer Geldgeber ins Leben gerufen wurde. Im Gegensatz zum HZI, welches als nationales deutsches Forschungsinstitut angelegt ist, kann die Stiftung besser auf die zunehmenden Anfragen nach Umsetzungsunterstützung aus immer mehr Ländern reagieren. 

Die Aufgabe der Stiftung besteht darin, die Weiterentwicklung der Software zu überwachen und zu kuratieren, den Austausch von Erkenntnissen über SORMAS zwischen verschiedenen Interessengruppen zu erleichtern und die Einführung der Software in neuen Ländern zu unterstützen, beispielsweise durch Pilotstudien.

Geschäftsführerin (Geschäftsentwicklung und Projekte) Pilar Hernandez ist sich dessen sehr bewusst:

Mit der Stiftung verfügen wir über eine agile Plattform, die die Länder bei der Umsetzung von SORMAS unterstützen und gleichzeitig die Integrität und die hohen Qualitätsstandards der Software gewährleisten kann. Ziel ist es, eine Organisation zu haben, die sowohl auf die Bedürfnisse der Länder als auch auf die Bedürfnisse des Systems selbst eingeht.

Pilar Hernandez, SORMAS-Stiftung

Die Verknüpfung von Umwelt- und Krankheitsdaten

Die Nachhaltigkeit von SORMAS ist eines der Hauptziele der Stiftung, und das bedeutet, dass die kontinuierliche Anpassung an globale Gesundheitsprioritäten wie One Health sichergestellt werden muss. Mit Forschungsmitteln arbeitet das HZI mit dem Kumasi Centre for Collaborative Research in Tropical Medicine in Ghana zusammen, um ein Umweltüberwachungsmodul für Wasserproben zu entwickeln. Der Prototyp wird in den kommenden Monaten zur Erprobung bereit sein, und die Stiftung wird dann mit den SORMAS-Durchführungsländern zusammenarbeiten, um die Finanzierung für seine Einführung und Ausweitung zu sichern. Dieser Prototyp wird unter anderem die Kartierung kontaminierter Wasserquellen und die Triangulation dieser Informationen mit der Zahl der Krankheitsfälle an den betroffenen Orten ermöglichen. Laut Pilar „wäre dies dann eine moderne Version der berühmten John-Snow-Cholera-Karte, auf der man mit nur einem Klick alle Informationen zu jedem Krankheitsfall und jeder Wasserquelle erhält“.

SORMAS dashboard showing geographical map of infections
SORMAS-Dashboard.

Die Kraft der Süd-Süd-Zusammenarbeit

Es macht Sinn, das technische Fachwissen und die praktische Erfahrung der erfahreneren nationalen Agenturen, die SORMAS umsetzen, zu nutzen, um die weitere Verbreitung zu unterstützen. Als SORMAS-Gründungspartner hat das NCDC ein starkes institutionelles Fachwissen zur Unterstützung der SORMAS-Umsetzung auf allen Ebenen aufgebaut, was sich als entscheidend für Nigerias Reaktion auf COVID-19 erwies. Als nationales Gesundheitsinstitut war das NCDC Gastgeber für Studienreisende aus Ghana und Sierra Leone und präsentierte SORMAS auf zahlreichen Tagungen und Workshops, unter anderem für die IGAD und ihre Mitglieder in Dschibuti. 

Dr. Yashe Usman, der nationale Leiter von SORMAS in Nigeria, sagt: „Nigeria spielt jetzt eine globale Rolle. Unser Wissen und unsere Erfahrung waren für Ghana und andere Länder von Nutzen und haben dazu beigetragen, SORMAS in Ostafrika einzuführen“. 

Jan Böhme, Geschäftsführer der SORMAS-Stiftung (Technologie und Betrieb), unterstreicht dies mit den Worten: „Wir gehen davon aus, dass diese Pionierländer eine wichtige Rolle bei der gegenseitigen Unterstützung spielen werden“. Es ist auch geplant, eine SORMAS Community of Practice zu gründen, um diese Art der Süd-Süd-Unterstützung weiter zu verstärken.

Der globale Ausblick

Während der Schwerpunkt von SORMAS zunächst auf der Einführung der Plattform in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen lag, wurde das System mit dem Aufkommen von COVID-19 auch in europäischen Ländern eingeführt. So haben die Erfahrungen aus der Nutzung von SORMAS in Nigeria und Ghana zur Einführung und Nutzung auch in deutschen Bundesländern sowie in Frankreich und der Schweiz geführt, um die Überwachung und Reaktion auf die Pandemie zu unterstützen. Heute befindet sich eine wachsende Zahl von Ländern in verschiedenen Stadien ihrer SORMAS-Einführung, von der Planungsphase über die Pilotphase bis hin zur schrittweisen Einführung und vollständigen nationalen Ausweitung (siehe interaktive Karte der SORMAS-Länder).

The SORMAS footprint (December 2022)

SORMAS footprint Placeholder
SORMAS footprint

In den letzten Jahren wurde SORMAS in immer neuen Gebieten eingeführt, darunter so weit entfernte Länder wie Fidschi und Nepal. Die Software wurde dabei kontinuierlich weiterentwickelt, um neue Gesundheits- und Umweltherausforderungen im gesamten Spektrum von One Health anzugehen. In dem Maße, wie das Bewusstsein für die komplexen Zusammenhänge zwischen der Gesundheit von Menschen, Tieren und dem Planeten wächst, werden sich weitere innovative Anwendungen für SORMAS ergeben. Die SORMAS-Geschichte ist noch längst nicht zu Ende – Healthy DEvelopments wird weiter berichten.

Corinne Grainger
Dezember 2022

© HZI-VerenaMeier 2019
© GIZ-Corinne Grainger
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